Adam Angst im Interview
„Ein zweites Album? Hat Felix vergessen, eine neue Band zu gründen?“ So kommentierte ein YouTube-Nutzer „Alexa“, die erste Singleauskoppelung aus „Neintology“, das in der Tat ein Novum für Felix Schönfuss ist. Hatte er es mit Escapado und Frau Potz nur jeweils auf ein Album gebracht, so stehen die Sterne für ADAM ANGST deutlich günstiger. Das selbstbetitelte Debütalbum von 2015 erschien beim Grand Hotel van Cleef und war mehr als nur ein Achtungserfolg, wie die Ausverkaufsmeldungen der anstehenden Tour deutlich bezeugen. Grund genug, eben keine neue Band zu starten.
Es gibt also viel zu erzählen. Wir trafen Sänger Felix Schönfuss und Bassist Christian Kruse zum Interview in einem gemütlichen Berliner Straßencafé.
Wie würdet ihr das neue Album jemandem beschreiben, der mit eurer ersten Platte vertraut ist?
Felix: Ich würde sagen, sie ist musikalisch breiter aufgestellt. Sie zeigt weniger mit dem Finger auf jemanden und springt einem nicht mehr ganz so offensiv ins Gesicht. Musikalisch sind viele Dinge hinzugekommen, wir haben mit einigen Instrumenten herumgespielt, mit Samples, Streichern, Klavier, Bläser und so. Es klingt mehr nach einer Band. Die erste Platte war etwas steril abgemischt, was auch gewollt war, jetzt klingt alles offener, räumlicher und facettenreicher.
Und das war das, was ihr euch vorgenommen hattet?
Felix: Mein Ansatz war, dass ich verschiedene Songs schreiben wollte und keine Formel abarbeiten. Der Wiedererkennungswert ist ja so oder so gegeben, aber mein Ziel ist es, dass man Songs schreiben kann wie man will, egal ob das jetzt ein Autotune-Rap ist oder Folk oder was auch immer. Halt das, was Die Ärzte zum Beispiel machen, sich bei jedem Musikstil bedienen zu können, ohne sich selbst zu verraten. Das wollte ich machen. (An Kruse gerichtet:) Hattest du ein Ziel?
Kruse: Ich war ja beim ersten Album noch nicht dabei, deswegen bin ich erst mal froh, dass ich darauf überhaupt mitspielen durfte. Ich finde aber auch, dass man hört, dass dieses Mal nicht alles auf Felix‘ Schultern lastet. Es sind einfach mehr Einflüsse dazu gekommen.
Felix: Gewollt ist sowieso nur etwa 30 % auf dieser Platte, der Rest ist halt so entstanden.
Auf dem ersten Album bist du allein auf dem Cover, auf „Neintology“ die ganze Band. Das sollte vermutlich auch ausdrücken, dass es mehr eine Bandplatte ist? Am Anfang wusste man ja nicht mal, ob Adam Angst dein Pseudonym oder ein Bandname ist …
Felix: Ja, genau. Es war ursprünglich als Soloprojekt geplant, weil das ja meine Songs waren, und ich wusste auch noch nicht genau, wohin ich damit wollte. Den Namen haben wir ja sogar schon zusammen ausgesucht. Klar, und dann haben wir die Songs zusammen auf die Bühne gebracht, wir sind Freunde geworden …
Kruse: Naja …
(beide lachen)
Felix: … oder ich rede mir das ein. Jedenfalls bin ich froh, dass sich das zur Band entwickelt hat, weil ich auch gar keinen Bock hätte, dass alles an mir hängt.
Hättest du damals schon gedacht, dass das zumindest so erfolgreich werden würde, dass es ein zweites Album gibt?
Felix: Dass wir das nicht einstampfen werden, war eigentlich schon immer klar, weil schnell ein enges Band zwischen uns entstanden ist. Nur das „Wann“ war offen. Die meisten, mit denen wir so zusammenarbeiten, meinten so, dass in spätestens zwei Jahren der Nachfolger kommen muss, sonst interessiert sich keiner mehr für uns. Das halte ich für Bullshit.
Dass das zumindest so ein Achtungserfolg werden würde, wusste ich nicht, aber das war ja auch das Schöne. Man hat viele Dinge zum ersten Mal gemacht und Erfahrungen gesammelt.
Kruse: Erfolg kann man ja auch nicht planen, das ist von so vielen Faktoren abhängig. Von daher ist das Wichtigste, dass wir Bock haben, zusammen abzuhängen und miteinander Musik zu machen. Dass wir dann solche geilen Dinge machen können wie die krassesten Festivals spielen und gut besuchte Touren, da freu ich mich über jedes neue Ding, das da geschieht. Das kenn ich von früheren Bands ja auch anders.
Verfolgt ihr, was über euch geschrieben wird? Lest ihr eure Kritiken?
Felix: Das hab ich früher gemacht. Ich habe mich auch oft daran gestört und vieles persönlich genommen, mich vielleicht sogar menschlich dadurch ein bisschen verändert. Deswegen habe ich das jetzt komplett gelassen. Ich brauchte etwa ein Jahr, damit umgehen zu können. Es gab ja auch viel Zuspruch, aber man bewertet eine negative Meinung nun mal stärker als hundert positive. Und so offen, wie wir mit unseren Themen umgehen, ist es ja eigentlich klar, dass das nicht nur gut gefunden wird. Das musste ich aber erst mal lernen.
Wenn ich den Song „Punk“ richtig verstehe, ist das ja ein deutlicher Mittelfinger in Richtung dieser Kritiker.
Felix: Ja, genau. Es ist wohlgemerkt kein Mittelfinger gegen die ganze Szene, aber gegen die Leute, die meinen, uns zu bewerten, dass wir nicht Punk sind, weil … Das find ich sehr ambivalent, vorzugeben, wie man gekleidet zu sein hat und wie man klingt. Genau das ist Punk ja wahrscheinlich gerade nicht. Und wir hatten ja auch nie den Anspruch, Punk zu sein und wollen uns nicht so definieren.
Ansonsten befassen sich deine Texte ja eigentlich mit Arschlöchern jeglicher Art …
Kruse: Das hast du schön gesagt.
Die Themen sind zwar recht breitgefächert, aber letztlich kommt es immer wieder darauf zurück, wie mies Menschen sein können. Würdet ihr sagen, dass es in eurer Musik trotzdem eine positive und optimistische Note gibt, oder geht es vor allem ums Auskotzen?
Felix: Eigentlich möchte ich nicht, dass ich den Leuten nur deprimierende Inhalte vorsetze. Das passiert natürlich leicht, weil wir halt viele negative Themen haben. Ich kann aber halt nur aus ner Wut oder einer negativen Stimmung heraus gute Songs schreiben. An einem schönen freien Tag zum See fahren, da regt sich meine Kreativität nicht. Zumindest noch nicht.
Kruse: Dadurch, wie wir diese Inhalte in Songs verpacken, und sie dann vor den Leuten spielen, die da zusammen abgehen, bekommt das aber auch etwas Positives. Da sind dann Menschen vereint, die verstehen, was gemeint ist, und wer gemeint ist. Bei den Leuten, die uns mögen, denk ich also nicht, dass das ein negatives Gefühl erzeugt.
Felix: Was ich auch dazu sagen möchte, ist, dass wir uns da nicht selbst rausnehmen wollen. Jeder macht Fehler, jeder ist irgendwann mal ein Arschloch, das liegt halt im Menschen drin. Deswegen achten wir sehr darauf, dass wir uns nicht über andere erheben und zu einem „Wir cool, die doof“ stilisieren. Wir meinen uns also immer mit.
Euer Gitarrist David Frings hat mit Fjørt ja eine weitere, nicht unerfolgreiche Band. Wir kriegt ihr, speziell er, das hin? Müsst ihr immer eure Termine um die von Fjørt herumplanen? Oder andersrum?
Kruse: Das lassen wir unsere Booker miteinander abmachen. Wenn’s um Termine geht, müssen der Fjørt-Booker und unserer sich untereinander abstimmen. Das hat natürlich den Nebeneffekt, dass wir sehr oft mit Fjørt auf dem gleichen Festival spielen …
Felix: … aber solang sie nicht nach uns spielen, ist alles gut. (Allgemeines Gelächter) Klar, der David hat schon echt Stress. Es kam schon vor, dass er irgendwelche Flüge buchen musste, weil er mit der einen Band mittags auf nem Festival in Österreich spielt, dann von der Bühne sofort in den Flieger muss, und dann abends ein Konzert mit uns zu spielen. Aber David hat da halt Bock drauf, und er empfindet es auch nicht als Stress, weil das einfach sein Ding ist. Mir persönlich wäre das glaub ich zu viel.
Könnt ihr mittlerweile von der Band leben, oder geht ihr noch Brotjobs nach?
Felix: Es ist an der Schwelle, dass wir es vielleicht könnten. Aber momentan würde ich diese Entscheidung nicht treffen wollen. Wir haben alle noch Fulltime-Jobs, außer David, der ist glaub ich auf vier Tage runtergegangen. Ich finde das auch gut so, dass man die Miete safe drin hat, und die Musik ist dann halt der schöne Ausgleich. Das bedeutet für mich auch einen gewissen Luxus. Bands, die davon leben wollen, müssen heutzutage alles mitmachen, Red-Bull-Irgendwas hier, Instagram-Takeover dort, und den Gedanken, jeden Scheiß machen zu müssen, finde ich nicht gut. Die Frage müssen wir uns irgendwann stellen, wenn es zeitlich nicht mehr zu vereinbaren geht.
Auf welche Songs vom neuen Album freut ihr euch besonders, sie live zu spielen?
Kruse: Das ist eine spannende Frage, da sind wir selbst gerade dabei, das zu diskutieren, da hat jeder so seine eigenen Favoriten.
Felix: Das liegt eben an dem Album, das so viele verschiedene Richtungen umfasst. Jetzt haben wir eine Ballade („Damit ich schlafen kann“, Anm.), da fragt man sich schon, wie die Leute das finden, das zu bringen, während gerade unten der Moshpit abgeht. Ich persönlich freu mich auf „Blase aus Beton“, „Immer noch”, weil man dazu lichttechnisch sicher viel machen kann, und „D.I.N.N.“ (Dich immer Nazi nennen).
Kruse: Auf den freu ich mich auch. Auch wenn die Gitarristen das jetzt klarkriegen müssen, den zu spielen. Bei der Aufnahme sind glaub ich drei verschiedene Tunings zum Einsatz gekommen. Aber das ist jetzt unser Problem.
Letzte Frage: Seit 2015 ist viel passiert. Müsst ihr “Splitter von Granaten” eigentlich regelmäßig updaten?
Felix: (lacht) Die Überlegung gab es, aber das wär panne geworden. Wir spielen ihn so, wie er ist. Live sollen die Leute den Text ja auch mitsingen können.
Kruse: Und der Song springt ja auch von einem Thema zum anderen. Bei all dem, was gerade in den Nachrichten ist, könnten wir eigentlich jede Woche einen anderen Text dazu schreiben. Wo willst du da die Grenze ziehen?
Ich hatte ja, wie ich den Song in meinen Jahrescharts hatte, dazugeschrieben, dass es am Ende des Jahres über 800 Anschläge und nicht mehr 43 waren …
Felix: Ja genau. Das singe ich auch, die Zahl 800 ist die einzige Änderung, die wir live drin haben. Es ging bei der Aufnahme gerade erst los, aber da fand ich die Zahl 43 schon unfassbar viel. Über 800 ist natürlich noch eine ganz andere Dimension.
Redet ihr bandintern viel über Politik?
Felix: Ja, schon immer wieder. Das lässt sich nicht vermeiden, bei all dem, was passiert. Aber nicht nur und nicht die ganze Zeit. Gerade so auf den Rückfahrten nach dem Gig, da kann man am nächsten Tag bloß noch schlafen oder eben richtig Scheiße labern.
„Neintology“ Tour 2018
Tickets
15.11. Ausverkauft! – ADAM ANGST • Schlachthof Wiesbaden • 15.11.2018
16.11. ADAM ANGST • Wien • 16.11.2018
17.11. ADAM ANGST • München • 17.11.2018 (hochverlegt)
18.11. ADAM ANGST • Zürich • 18.11.2018
20.11. ADAM ANGST • Köln • 20.11.2018 (hochverlegt)
21.11. ADAM ANGST • Hannover • 21.11.2018
22.11. ADAM ANGST • Münster • 22.11.2018 (hochverlegt)
23.11. ADAM ANGST • Bremen • 23.11.2018 (hochverlegt)
24.11. ADAM ANGST • Hamburg • 24.11.2018 (hochverlegt)
25.11. ADAM ANGST • Berlin • 25.11.2018 (Hochverlegt)
„Neintology“ Tour 2019
22.02. ADAM ANGST • Dresden • 22.02.2019
23.02. ADAM ANGST • Leipzig • 23.02.2019
24.02. ADAM ANGST • Frankfurt • 24.02.2019
01.03. ADAM ANGST • Stuttgart • 01.03.2019
02.03. ADAM ANGST • Osnabrück • 02.03.2019
03.03. ADAM ANGST • Dortmund • 03.03.2019